Die „Inflationsrate“

Der Verbraucherpreisindex für Deutschland wird allmonatlich vom Statistischen Bundesamt berechnet und herausgegeben. Dieser bekommt meist bei 1-3% pro Jahr als Gesamtergebnis heraus. Dabei werden einige Güter offiziell billiger (Nachrichtenübermittlung, Unterhaltunselektronik), andere erheblich teurer (Nahrungsmittel und Getränke, Wohnung, Auto und Verkehr, Bildungswesen). Mittels des Warenkorbes wird dann anteilig ein einziger Index für Deutschland festgelegt, wobei die Qualität berücksichtigt wird. Die Mehrwertsteuer ist in den Preisen enthalten, d.h. eine Erhöhung der Mehrwertsteuer würde sich auch auf den Preisindex auswirken.

Nicht verwechseln darf man den Verbraucherpreisindex mit der Inflationsrate. Diese wird aus Geldmenge, Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und realer Produktion bestimmt.

Welche Aussagekraft hat also der Verbraucherpreisindex (VPI)?

Kritik am Verbraucherpreisindex

Die gefühlte Inflation ist für den Einzelnen meist wesentlich höher, als der mit maximal 3% jährlich in den letzten Jahren ermittelte Index. Welche Gründe kann dies haben?

Bekanntheitsgrad von detailierten Zahlen

Da viele Leute nicht so ein ausgeprägtes Interesse an Zahlen haben, werden von den Medien die detaillierten Zahlen von festgestellten Kategoriewerten auch nicht genannt (zum Beispiel: Die Reparatur von Schuhen wurde in 3 Jahren um 8,9% teurer). Es werden wesentlich populärere Themen wie „Tabak verteuerte sich um 1,3%“ betrachtet. Auch werden meist nur Zeiträume von maximal einem Jahr genannt, nicht mehrere Jahre zusammengefasst. Bei den meisten Leuten erhöht sich das Gehalt aber nicht jährlich, sondern nur in bestimmten Jahren, wenn überhaupt. Inflationsraten der aufeinanderfolgenden Jahre miteinander multipliziert können auch niedliche Zahlen groß werden lassen. Berechnen kann man die sukzessive Inflation folgendermassen:
Gesamtinflation=-1+Produkt aus(1+Jahresinflationsrate). Zum Beispiel: Tabak: 2006: +5%, 2007: +3,7%, 2008: 1,3%.

Gesamtinflation Tabak (von Anfang 2006 bis Ende 2008)=(1+5%)x(1+3,7%)x(1+1,3%)-1=10.3%.

Berücksichtigung von unterschiedlichem Bedarf

Da es nur einen einzigen Verbraucherpreisindex gibt, bleiben einzelne Bürger mit bestimmten andersgelagerten Verbrauchspräferenzen aussen vor. Wer also beruflich auf gutes Schuhwerk achten muss (Vertreter, Bankangestellte) oder wer überdurchschnittlich viele neue Möbel kaufen mußte, wer raucht oder wer einfach auf gute Ernährung achtet, kann sich nicht wirklich am Verbraucherpreisindex, um zu ermitteln, um wieviel Prozent sich der eigene Bedarf verteuert haben muss (Das ermittelt man ohnehin nur mittels guter Buchhaltung).

Wer überwiegend Nahrungsmittel kauft, dessen Ausgaben sind höchstwahrscheinlich in diesem Bereich im vergangenen Jahr um 6% gestiegen. In den letzen drei Jahren zusammengerechnet sogar um 12,2%. Wenn dazu noch kommt, dass das Haus mit Heizöl gewärmt wird, hat zusätzliche Kostenerhöhungen von 43,9% in den vergangen 3 Jahren. Die Wohnungsmieten haben sich dagegen nur um etwa 3% in den letzten 3 Jahren erhöht.

Der Worst Case sieht also ganz anders aus als die niedlichen 6,5% Gesamterhöhung der letzten 3 Jahre.

Zwischen 1962 und 1999 wurden solch unterschiedlichen Bedarfssituationen noch wesentlich eher Rechnung getragen, da dort verschiedene Indizes festgelegt wurden („2 Personen Rentnerhaushalt mit geringem Einkommen“, „4 Personenhaushalte von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen“ und „4 Personenhaushalt von Beamten und Angestellten mit höherem Einkommen“, d.h.  3 Indizes neben dem Gesamtindex).

Der Gesamtindex kann teilweise gar keine Aussagekraft haben, denn persönlich entscheidend ist für einen Haushalt auch, ob er zum Beispiel das Haus mit Strom (+18,7% jeweils Gesamtentwicklung der letzten 3 Jahren), Fernwärme (+28,8%),  Gas (+31,6%) oder Heizöl (43,9%)  geheizt hat. Bei beispielsweise ausgänglichen Heizkosten von 1200 EUR jährlich ist dies durch die jährliche Verteuerung eine Summe zwischen 1424,40 EUR und 1726,80 EUR.

Mathematische Deutung

Man kennt es ja aus der Schule: Obwohl bei einer Klassenarbeit ein 3,5er Schnitt herauskam, waren 3 Einser und 3 Sechser dabei. Keiner hatte eine die Durchschnittliche 3 oder 4. Obwohl 3 Leute durchgefallen sind, blieb der durchschnitt noch voll im Rahmen.

Mathematisch gesehen ist der Index nichts anderes als die gewichtete Summe von Zufallszahlen mit jeweils unbekannten Erwartungswerten. Die einzelnen Zahlen für bestimmte Güter können in einem Jahr mal höher und mal niedriger ausfallen, Aussreisser bleiben aber in der Summe eines Jahres oft unbedeutend und damit unbemerkt.

Die Aussagekraft von Durchschnittswerten ist und bleibt sehr gering.

Berechnung, Kontrolle und Messung von Qualität

Ein weiterer Punkt dieser Kritik ist die Beurteilung und Hinzurechnung von Qualität. Mit welchem Faktor läßt man die Qualität in den Güterindex einrechnen?
Wie errechnet sich die Qualität von Kartoffeln, die schon etwas faul sind vom Transport und der Lagerung?
Welche Qualität hat eine Bahnfahrt in einem alten verspäteten Regionalzug?
Welche Qualität hat eine Flugreise mit eng gestellten Sitzreihen und übergewichtigem Sitznachbarn?
Welche Qualitätssteigerung hat ein Computer mit 2GHz mit einem Kern gegenüber einem Rechner mit 2 Kernen und ebenfalls 2GHz Takt? Oder 1GB Ram gegenüber 2GB? Oder 120GB Festplatte gegenüber 160GB Festplatte? Oder ein DVD Laufwerk gegenübergestellt mit einem BluRay Laufwerk?
Oder ein T-Shirt vom Textitldiscounter gegenüber dem wesentlich teureren einer Warenhauskette?

Auf Deutsch: Da die Qualitätssteigerung mit in die Preise für Güter einberechnet wird, werden fiktive Preise („hedonische Preise“) für fiktive Produkte angesetzt, die so eventuell gar nicht mehr auf dem Markt erhältlich sind. Die errechnete Qualität für Produkte fließt nicht transparent in die Berechnung des Indexes ein.

Fazit

Der Preisindex ist ein Durchschnittswert für alle Güter, der für den einzelnen Verbraucher so gut wie keine Aussagekraft über die finanzielle Mehrbelastung hergibt. Für aussagekräftige Zahlen nimmt man sich am besten die detaillierte Tabelle als PDF des Statistischen Bundesamts, um so zu erfahren, wie sehr das Portemonnaie mehr belastet sein sollte. Um die Teuerungsrate für einen ganz persönlich zu erfahren, kann man aber auch einfach detailliert Buch führen.

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